Auf viele Verbrechen stößt der Journalist Hardy Sylvester auf seinen Reisen. Es sind Recherchereisen zu Reisereportagen für Zeitung, Fernsehen und Internet. Sie bieten einen Einblick in seine Arbeit, wie er die Welt sieht. Manche dieser Reise liegen ein paar Tage zurück. Nicht immer kann der technische Standard von heute und unsere Sicht auf die Dinge vorausgesetzt werden. Wer seine Reisekrimis mag, dem seien seine Reisereportagen empfohlen.
Ich bin todmüde. In meinem Kopf geistert ein Bild von Palmen, weißem Sandstrand und dem Duft frischer Kokosmilch umher. In meinen Ohren verrutschten die gelben Ohrstöpsel. Das Weinen des Kindes, drei Reihen vor mir vertreibt meine Urlaubsphantasie. Meine Füße habe ich längst in diese kuscheligen Wohlfühlsocken gesteckt. Auf meinem Gesicht ruht der Glanz des Mondes, aber meine Augen erreicht er nicht. In der Tüte mit den Schlafutensilien, steckt die Schlafmaske. Ich sitze im Flieger irgendwo zwischen Frankfurt und Bangkok und muss feststellen, dass die Sitze der Economy-Class, bei der arabischen Airline exotisch als Coral-Class bezeichnet, nicht kompromisslos auf die Körpergröße von einem Meter neunzig ausgerichtet sind. Es gibt keinen Grund zu meckern: Erwartungen die der Name „Etihad Airways“ weckte und was er bot, lagen erfreulich weit auseinander. 77 Filme, 98 Fernsehprogramme unzählige Audiokanäle, Live-Kameras nach vorn und senkrecht unter das Flugzeug. Man bedenke, wir fliegen im 2007 durch die Troposphäre. Alles bietet der Platzmonitor in der Rückenlehne; nicht irgend eine entfernte Leinwand. Die Flugbegleiterinnen reichen schmackhaftes Essen und gute Weine.
Willkommen in Asien
Blauer Dunst bläst aus dem vibrierenden Auspuff direkt in mein Gesicht, der staubige Reifen geht mir bis zum Kopf. Die heiße Luft scheint zu vibrieren und der Gestank von verbranntem Diesel liegt über der Straße. Ich sitze in einem jener legendären Tuk Tuks, von denen etliche Reiseführer warnen, weil sie zu teuer oder zu gefährlich sind.
Wir sind mitten in Bangkok
Zehn Millionen Menschen auf einem Fleck. So ein Wahnsinn, denke ich. Dieser Gedanke wird mich die kommenden Tage immer wieder einholen. Beim Blick aus dem Taxi oder Tuk Tuk verliere ich immer wieder die Orientierung. Nach Tagen in dieser Metropole erkenne ich zwar Gebäude und Straßenzüge wieder. Aber mein Versuch, diese bekannten Inseln in diesem Labyrinth miteinander zu verbinden, scheitert. Auch wenn viele Reiseführer vor ihnen warnen, in dieser Stadt muss man sie gefahren sein, die Tuk Tuks. Es sind keineswegs nur Touristen denen zu Fortbewegung dienen, gerne quetschen sich die Thais in diese dreirädrigen Gefährte, die uns Europäer ein wenig an ihre italienische Verwandte erinnern mögen. Zu den Seiten völlig offen, nach oben durch eine Plane geschützt, sitzen die Gäste
auf Reifenhöhe der Busse und erfahren auf diese Weise, was es heißt, dass 80 Prozent der thailändischen Autos in Bangkok zugelassen sind. Stau, Gestank und Lärm gehören zu dieser Stadt wie Chinatown und der Königspalast.
Chinatown – noch bunter als Bangkok
In Chinatown werden die Reklametafeln noch etwas bunter und die Gassen etwas enger. Nichts für Menschen mit Platzangst. Aber genau die richtige Adresse für alle, denen die Krämerläden ein Staunen abringen. Alles was an nötigem und überflüssigem für ein paar Cent in China produziert wird, bieten sie in den engen Gasen, allen voran in der Sampeng Lane, feil. Den europäischen Betrachter erinnert das Angebot mitunter an heimische Verkaufssender: minderwertig und überflüssig.
Gegen den Hunger lässt sich bestens in einer der unzähligen Seitengassen im chinesischen Viertel vorgehen. Dort sind es die kleinen, von den Chinesen und Thais selbst besuchten Lokale mit ihren offenen Küchen, die einfache, frische Speisen anbieten. Auch wenn man nicht den livrierten Kellner, wie er laut werbend auf den Hauptstraßen steht, erwarten darf.
Königspalast und goldene Pagoden
Wer genug von den Gerüchen und der Enge Chinatowns hat, ist reif für den Königspalast.
Blendendes Machwerk für die Augen: Komplett vergoldete Pagoden und porzellanverzierte Giebel prahlen im Wettstreit.
Zentrum der mit 20 Hektar überwältigenden Tempelanlage ist der Bot, er birgt den Smaragd-Buddha. Jene kleine Figur, die bis ins 15. Jahrhundert mit einer dünnen Schicht Blattgold überzogen war und deren noch viel wertvollerer Kern erst durch einen Blitzschlag entdeckt wurde.
Die Nähe, die sich in der direkten Nachbarschaft vom Tempel und dem Königspalast widerspiegelt, entspricht dem Amt des Königs selbst. Er ist in einer Person Staatsoberhaupt und religiöser Führer des Landes. Auch wenn seine politischen Befugnisse sich auf Weisungen und repräsentative Aufgaben beschränken, sind er und seine Familie doch emotionaler Dreh- und Angelpunkt der Thais. Schon das Bild, das sich jeden Montag auf den Straßen zeigt, spricht eine deutliche Sprache. An einem Montag ist der König geboren und die Farbe des Königs ist Gelb. Fast jeder kleidet sich deshalb Montag für Montag gelb. Und doch gibt es einen markanten Unterschied zwischen ihm und den meisten Thais: Er ist der, der nie lächelt.
Acht Monate des Jahres, heißt es, reist Bumipohl durchs eigene Land, besucht die entlegensten Winkel, hört zu und spricht mit den Menschen. Sie lieben ihn dafür, betrachten ihn als Vater der Nation. Einer Aufgabe, der er sich im Alter von 19 Jahren fügte, fügen musste. Sein älterer Bruder – eigentlich für die Thronfolge vorbereitet – starb, wurde erschossen. Die Umstände wurden nie geklärt. Bumipohl selbst wollte Musiker oder Forscher werden, als er ins Kloster ging, um sich auf seine Aufgabe als König vorzubereiten. 2010 feiert er den sechzigsten Jahrestag seiner Inthronisation. Damit ist er dienstältester Monarch der Welt.
Regen fällt hier nicht in Tropfen vom Himmel, es sind Fäden
„Umbrella“ scheint der Begriff in meiner Anfrage zu sein, den die freundliche Dame an der Rezeption des Hotels nicht verstanden hat. Sie schaut mich freundlich an, blickt an mir vorbei in die Lobby, zu der Gruppe, die sich offenbar zum Gehen rüstet und lauscht einen Augenblick. Weniger auf das was die Gäste sagen, als das, was der Regen ihr auf dem Vordach des Hotels sagen könnte. Dann lächelt sie, nicht so wie die Thais immer und überall lächeln, sondern verstehend. Sie nickt und verschwindet für einen Moment. Nach einer Weile ist klar. Das Hotel besitzt keine Schirme. Außer dem einen, den der Concierge am Empfang benutzt.
Tagestemperaturen über 35 Grad und diese Luftfeuchte
Draußen ist es dunkel, der Regen fällt hier nicht in Tropfen vom Himmel, es sind Fäden und ziemlich dicke wie es scheint. Die Unvorsichtigkeit, ohne Regenjacke in die asiatische Regenzeit zu fahren, rächt sich. Allerdings hat das Wasser auch was Gutes. Tagestemperaturen über 35 Grad, gepaart mit einer Luftfeuchte von wenig unter der Tröpfchenbildung sind auch nach einer Woche im Land noch gewöhnungsbedürftig. Das Wasser sorgt endlich für Abkühlung.
Es ist acht Uhr abends und die Sonne ist längst hinter den Häusern verschwunden, nur der Regen ist geblieben. Wir machen uns in einer kleinen Gruppe auf, die Stadt zu erkunden. Khapeanphaet liegt in der Mitte zwischen der 10 Millionenmetropole Bangkok und Chiang Mai im hohen Norden des Landes. Tempelreste und die Ruinen einer Stadtmauer zeugen von seiner Entstehung, um 1347. Jahrhunderte lang waren hier die Soldaten der Könige von Sukhothai und Ayutthaya untergebracht. Jenen Stätten, die noch heute so wichtig für das nationale Bewusstsein der Thais sind, dass die aktuelleren Forschungsergebnisse gerne außer acht gelassen werden. Kritiker glauben heute nicht mehr an diese lineare Geschichte von den alten Stätten, über Siam bis zum heutigen Thailand. Sie betonen vielmehr die Bedeutung weiterer Königreiche. Ein spannender Prozess, der sich positiv auf die Achtung der seit langem im Land lebenden Chinesen und Laoten auswirken könnte.
Im Hier und jetzt knurrt der Magen und die Stadt zeigt sich uns von ihrer unwirtlichen Seite. Die Behauptung, während der Regenzeit gebe es heftige aber kurze Regengüsse, stimmt nicht. Schon seit Stunden regnet es unvermindert. Die Folgen können sich sehen lassen, auf den Dächern sammeln sich Regenmengen, die wasserfallartig zu Boden stürzen. Spannender aber ist, was sich unten zwischen Häusern und Straße abspielt. Selbstverständlich ist diese asphaltiert, aber da wo europäische Füße das Trottoir vermuten, tun sich Löcher und Gräben auf. Stufen werden bei Dunkelheit zu einer wahren Herausforderung. Aber schließlich lacht das trockene Ziel: der Nachtmarkt. Er ist überdacht. Auf dem gestückelten Wellblech trommelt der Regen unermüdlich sein Lied. Touristen und Souvenirverkäufer sucht man hier vergebens. Die Thais kommen, um in einer der unzähligen kleinen Garküchen zu essen. Alles ist offen. An kleinen Metalltischen sitzen die Hungrigen und löffeln ihr Essen aus Tellern, die scheinbar aus demselben bunten Plastik hergestellt sind wie die Stühle und Hocker, auf denen sie sitzen.
Der Koch lacht und erklärt das Essen
Die Bestellung gestaltet sich abseits der ausgetretenen Touristenpfade etwas schwieriger. Keine mehrsprachigen Speisekarten oder Fotos, die auch dem letzten Gast noch klar machen was sich hinter den, für westeuropäische Augen verflixt ähnlich aussehenden, Zeichen verbirgt. Da der Koch unter „muh“ nicht das erwartete Rindfleisch – das ist „nua wua“ sondern Schwein versteht, einigen sich Gäste und Koch eben auf „gai“, was Hühnerfleisch erwarten lässt. Die Idee, die gewünschten Speisen in der Auslage zu zeigen scheitert an der Vielfalt der angebotenen Gerichte und den Kombinationen.
Erfolgreich war der Gang durch die Garküche und ein Zeigen auf den Teller am Nachbartisch. Der Koch lacht, erklärt das Essen, sehr nett, aber leider auf Thai. Für die Getränke muss er, bevor es losgeht, selbst noch mal los. Nach wenigen Minuten ist er strahlend wieder da. Stolz serviert er gekühltes Wasser und Bier. Gelacht wird an diesem Abend noch viel, gelernt haben wir, das lächeln in Thailand nicht nur Marketing ist, sondern manchmal sehr von Herzen kommt.
Es lebe die frische Kokosmilch
Inzwischen brennt die Sonne auf der Haut und bei einem leichten Rauschen der Wellen umspielt meine Nase der Duft von frischer Kokosmilch. Und das Gefühl alles richtig gemacht, zu haben: nach der Rundreise zum Relaxen an Thailands traumhafte Strände. Nichts ist besser, als nach einer anstrengenden Landeserkundung den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Die Füße in den feinen Sand zu strecken und endlich den ersten Schluck, der wirklich nach Urlaub schmeckt, in vollen Zügen zu genießen: Es lebe die frische Kokosmilch.
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