Flüchtlinge oder Warum hast Du nicht geholfen?

Tatort: der perfekte Rasen oder »Warum hast Du nicht geholfen?«

Flüchtlinge oder Warum hast Du nicht geholfen?

Flüchtlinge oder „Warum hast Du nicht geholfen?“Hoher Zaun, Stacheldraht, Warnschilder ein grausamer Krimi vor unserer Haustür.

Eines Tages werde ich meiner Tochter eine Antwort geben müssen, wenn sie mich fragt: »Warum hast Du den Mann nicht aus dem Wasser gezogen? Warum hast Du ihm nichts zu essen gegeben?« Und ich werde seinem Sohn sagen müssen, warum ich seinen Vater habe ertrinken lassen. War er es nicht wert? Sollten ihm die andern helfen, die mit ihm im Meer trieben? Weil ihr Boot gekentert war, als sie die Verdursteten ins Wasser warfen? Sollte ihm die Schwangere helfen, die den ganzen Tag nichts mehr zu trinken hatte?

Kein Glaube: Konnten wir ihnen nicht den Glauben schenken, als sie uns ihre Namen nannten? Als sie von den Raketen im Krieg, den Schüssen bei der Verfolgung und dem Schmerz der Vertreibung, von dem Blut der Vergewaltigung und dem kratzenden Durst erzählten?

Kein Geld: Waren wir zu beschäftigt mit unserem Bausparvertrag, den Kreditraten? Hatten wir kein Geld übrig, zwischen Leasingrate, Investition und Urlaub? Machten uns die Zinsen fertig oder war es der DAX, der uns ablenkte und das Geld nicht freigab?

Keine Zeit: Wussten wir nicht, wann wir uns zwischen Rasenmähen und Büro, zwischen Tagesschau und Tatort kümmern sollten?

Ich habe es nicht gewusst: Wie kann ich mich vor der Gewalt des Tatorts schaudern? Wie kann ich zwischen Biosandwich und Direktsaft den Tod vergessen, der nicht mehr irgendwo ist? Nur ausgedacht, das ist nicht echt. Nein, das war der Film. Das ist das Leben. Wie kann ich mich über die Turnhalle aufregen, die jetzt keine mehr ist, weil Betten drin stehen? Wie kann ich? Es war doch nur eine Meldung.

Wieder nur eine Nummer: Waren aus den Menschen wieder Nummern geworden, weil die Schlepper ihre Papiere behalten hatten? Weil wir ihre Geschichten nicht glaubten. Weil nur mit unserer Ordnung alles in Ordnung bleibt?

Wir sind die Guten: es war kein Genozid. Nein der war es nicht. Wir sind die Guten. Wir werfen keine Bomben, erschießen keine Kinder, wir überfallen keine Länder. Wir sind die Guten.

Vergessen: Wann hatten wir vergessen, dass Menschen Menschen nicht einsperren, auch wenn sie nichts getan haben?

Alles in Ordnung: Wir lieben unsere Ordnung, aber sie passt nicht mehr in diese Welt. Sie ist unordentlich, nicht durcheinander, sondern voneinander.

Bezahlen statt Almosen: Wenn alles eine Frage des Geldes ist und sie, das nicht können, warum bezahlen wir ihnen nicht, was sie uns geben? Was ihre seltene Erde, ihre Rose und ihre Bohnen wert sind? Warum werden wir nicht zu Kunden, geben ihnen echtes Geld, warum tun wir so als wären wir die Guten, die Armen Gutes tun?

Angst: Heute habe ich Angst. Angst vor der Frage und davor, dass sich meine Tochter nicht mit einer Entschuldigung zufriedengeben wird, einem Achselzucken. Dem Satz, dass alles sehr kompliziert war und die anderen auch nichts gemacht haben. Vielleicht wird sie gnädig sein, wenn sie erfährt, dass ich etwas getan habe, es versucht habe. Morgen werde ich anfangen. Nein, es könnte was dazwischenkommen. Heute. Jetzt. Bevor sie mich fragt: »Warum hast Du nicht geholfen?«

Max van Berque

Dieser Text darf mit einem Link auf www.ebook-thriller.de als Quellenangabe verwendet werden.

Thriller, Jugendkrimis und E-Books

Eigentlich schreiben wir Thriller, Jugendkrimis und E-Books und ab und zu veröffentlichen unsere Autoren andere Texte zu spannenden Themen. Als Nächstes steht auf diesen Seiten, die Veröffentlichung des Jugendkrimis, »Die Entführung« an. Darin geht es zwar noch nicht um Flüchtlinge, dafür bereiten wir gerade das nächste Projekt vor. Wir recherchieren in dieser fiesen Materie aus Not, dem Wunsch zu Überleben, aus Hoffnung und Erpressung. Wir stoßen auf Fragen von Verantwortung und Menschlichkeit, die uns direkt betreffen.

Tatort: der perfekte Rasen oder »Warum hast Du nicht geholfen?«

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